Effekte von Koffein auf das Hyperoxie-geschädigte Kleinhirn der neonatalen Ratte

 

Hintergrund: 

 

Besonders durch seine zahlreichen Verknüpfungen zu höheren kortikalen Regionen, werden dem Kleinhirn, neben seinen bereits bekannten Funktionen für Koordination, motorisches Lernen und Gleichgewicht, auch immer mehr Einfluss auf Kognition und Emotionen zugeschrieben.1 Ebenso scheint das Kleinhirn eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Autismus-Spektrum-Störungen, der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung und Legasthenie zu spielen.2 Bedingt durch eine Frühgeburt erfährt das unreife Gehirn in einer vulnerablen Phase oft Zustände der Hyperoxie, die sich negativ auf dessen Entwicklung auswirken können. Koffein, als ein Adenosin Rezeptor Antagonist und freier Sauerstoffradikalfänger, wird im Zusammenhang mit neuroprotektiven Eigenschaften diskutiert. 3 Als Medikament zur Behandlung von Frühgeborenenapnoe wird Koffein mit einer hohen Evidenz bei der intensivmedizinischen Versorgung von Frühgeborenen eingesetzt.

 

 

1 Manto M, Adamaszek M, Apps R, Carlson E, Guarque-Chabrera J, Heleven E, Kakei S, Khodakhah K, Kuo SH, Lin CR, Joshua M, Miquel M, Mitoma H, Larry N, Péron JA, Pickford J, Schutter DJLG, Singh MK, Tan T, Tanaka H, Tsai P, Van Overwalle F, Yamashiro K. Consensus Paper: Cerebellum and Reward. Cerebellum. 2024 May 20. doi: 10.1007/s12311-024-01702-0. Epub ahead of print. PMID: 38769243.

2 Pavy CL, Shaw JC, Moloney RA, Palliser HK, Hirst JJ. Potential for a cerebellar role in moderate-late preterm associated behavioural disorders. Front Pediatr. 2024 Jan 26;12:1336137. doi: 10.3389/fped.2024.1336137. PMID: 38343746; PMCID: PMC10853332.

3 Siahanidou T, Spiliopoulou C. Pharmacological Neuroprotection of the Preterm Brain: Current Evidence and Perspectives. Am J Perinatol. 2022 Apr;39(5):479-491. doi: 10.1055/s-0040-1716710. Epub 2020 Sep 22. PMID: 32961562.

 

 

Fragestellung: 

 

Neugeborene Ratten, welche postnatal in einer vergleichbaren Phase der Kleinhirnentwicklung Frühgeborener sind, wurden geschlechterübergreifend in einer experimentellen Studie eingesetzt. Als wissenschaftliche Hypothese wurde angenommen, dass Koffein, die durch hohe Sauerstoffkonzentrationen reduzierte neuronale Proliferations- und Reifungskapazität im Kleinhirn protektiv modulieren kann.

 

Methoden: 

 

Neugeborene Wistar-Ratten wurden am Tag der Geburt (P0) postnatal 3 Tage (P0-P3) oder 5 Tage (P0-P5) mit 21% (Normoxie, NO) oder 80% Sauerstoff (Hyperoxie, HY) exponiert und mit Vehikel (PBS) oder Koffein (C) in einer klinisch-adaptierten Konzentration (10 mg/kg/48 h, i.p.) beginnend ab P0 behandelt. Das Kleinhirn der Jungtiere wurde an P3 und P5, direkt nach Beendigung der Sauerstoffexposition, oder nach Erholung unter Raumluft an P15 für anschließende Untersuchungen entnommen. Neben der Analyse der Proliferationskapazität wurden auch Neurogenese-assoziierte Marker im Kleinhirn mittels qPCR und immunhistochemischer Färbung untersucht.

 

Ergebnisse:

 

In der vorliegenden Studie konnte eindrücklich der schädigende Einfluss von oxidativem Stress, ausgelöst durch Hyperoxie, auf die komplexe zerebellare Neurogenese gezeigt werden. Reifende, migrierende Körnerzellen und Purkinje-Zellen waren in ihrer Proliferation und Differenzierung drastisch beeinträchtigt. Anhand von im Kleinhirn exprimierten neuronalen und proliferativen Markern, konnte zum einen die schädigende Wirkung von Sauerstoff auf das vulnerable Kleinhirn, als auch die schützende Wirkung von Koffein nachgewiesen werden.

Exemplarisch hier für eine Sauerstoffschädigung über die ersten drei postnatalen Lebenstage (P3) und mit anschließender Erholung an Raumluft (P3_P15) gezeigt (Abb. 1), reduzierte sich die Anzahl der Calbindin (Calb)-positiven Purkinje-Zellen im sauerstoffbelasteten (HY) postnatalen Kleinhirn im Vergleich zu Raumluft-exponierten Jungtieren (NO) massiv. Zudem zeigte sich unter oxidativem Stress, dass auch die Dendritogenese beeinträchtigt wurde. Die Behandlung der Hyperoxie-exponierten Tiere mit Koffein (HYC) konnte den Zellverlust der Purkinje-Zellen als auch die Reduktion der Dendritenbildung verhindern. Nach Erholung an Raumluft konnten für die Sauerstoff-geschädigten Tiere keine Beeinträchtigung für die Purkinje-Zellen nachgewiesen werden. Eine länger Sauerstoffexposition bis postnatal Tag 5 (P5, Daten gezeigt in Giszas et al. 2022) schädigte die Purkinje-Zellpopulation nachhaltiger, wobei Koffein hier ebenfalls protektiv wirkte.

 

Abbildung: Repräsentative kortikale mit dem Purkinje-Zellmarker Calbindin und DAPI immunhistochemisch gefärbte Kleinhirn-Schnitte neugeborener Ratten, die Normoxie (NO) oder Hyperoxie (HY) ausgesetzt waren, im Vergleich zu Rattenwelpen, die mit Koffein behandelt wurden (NOC, HYC). Die Untersuchungen wurden am postnatalen Tag 3 (P3) oder nach der Genesung nach 3-tägiger Exposition bei P15 durchgeführt. Immunfluoreszenzbilder zeigen Calbindin (Calb1, grün) und Zellkerne (DAPI, blau). EGL: external granular layer; ML: molecular layer; IGL: internal granular layer.

Zusammenfassung:

 

Koffein reduziert die durch Hyperoxie induzierte zelluläre Schädigung der Purkinjezellen und scheint zugleich Proliferations-hemmende Eigenschaften im Cerebellum zu induzieren.

 

Aus dem Projekt entstandene Veröffentlichungen:

 

Publikation:

Giszas V, Strauß E, Bührer C, Endesfelder S. The Conflicting Role of Caffeine Supplementation on Hyperoxia-Induced Injury on the Cerebellar Granular Cell Neurogenesis of Newborn Rats. Oxid Med Cell Longev. 2022 May 31;2022:5769784. doi: 10.1155/2022/5769784. PMID: 35693697; PMCID: PMC9175096.

 

Doktorarbeit:

Frau Dr. med. Vivien Giszas (2024) mit dem Titel „Einfluss von postnatalem Koffein auf das Sauerstoff-geschädigte Kleinhirn der juvenilen Ratte“, Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Neonatologie

 

Vortragspräsentation:

Giszas, V, Strauß, E, Bührer, C, & Endesfelder, S (2021). „Auswirkungen von Koffein auf das Hyperoxie-geschädigte Kleinhirn der neonatalen Ratte.“ 47. Jahrestagung der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin.